Erfahrungsbericht

Es begann Anfang 2009, als Suse (meine Frau Susanne) ihre Diagnose „Eierstockkrebs“ erhielt. Sie hielt sich „Tapfer“, aber ich zog mich erst mal in mein Schneckenhaus zurück. Nach einiger Zeit realisierte ich, dass ich meine „Maus“ (Suse war fast einen Kopf kleiner als ich) mit ihrem / unserem Problem, nicht allein lassen konnte. Von da an begleitete ich, wenn möglich, Suse zu allen Arzt-Terminen und Behandlungen. Vier Ohren hören halt mehr als zwei und es geht so schnell nichts unter, von dem, was medizinisches Personal so sagt. Auch konnte ich Suse gelegentlich daran erinnern, dass Sie noch diese oder jene Frage stellen wollte.

So gingen wir denn auch zusammen zur Krebs-Beratung nach Düsseldorf. Die Psycho-Onkologin erwähnte während eines Termins dann auch die Kölner Gruppe WIR. Sie hatte das wohl mal im Fernsehen gesehen, und riet mir es doch mal zu versuchen. Suse bat mich dann auch, mir diese Gruppe mal anzusehen. Also fuhr ich noch recht skeptisch zu meinem ersten Gruppenabend nach Köln.

Die Aufnahme in die Gruppe war sehr offen und herzlich. Es herrschte trotz des ungeliebten Themas eine gelöste Atmosphäre und alle sagten das, was Ihnen auf dem Herzen lag. Jeder konnte seine momentane Situation schildern und es wurden viele Ideen, Hinweise und Tipps ausgetauscht. So war dann auch irgendwann das Treffen zu Ende (es gibt keine Zeitbegrenzung) und ich fuhr wieder nach Hause. Unterwegs stellte ich für mich fest, dass es

a.) ein guter Abend gewesen war,

b.) und ich wieder hingehen würde.

Zu Hause wollte Suse dann wissen wie denn der Abend so war. Ich sagte „gut“ und das alle sehr nett waren. Das war’s dann.

Später erfuhr ich, dass es eigentlich alle Männer so machen.

Was dort besprochen wird bleibt halt unter uns „Jungs“.

Dies war der Anfang einer fast 7-jährigen Odyssee mit vielen Untersuchungen, Arzt-Besuchen, 5 großen Operationen und diversen Chemo-Therapien. Zwischendurch waren trotz allem, auch schöne Zeiten dabei, in denen wir mehrere Urlaubsreisen machten und viele andere Dinge unternahmen.

Irgendwann war ich dann auch Rentner und hatte entsprechend mehr Zeit für viele Dinge. Da ich schon Jahre vorher mein Hobby „Dampfeisenbahn“ begonnen hatte, konnte ich auch zufälligerweise zwei Dinge miteinander verbinden. Suse hatte sich damals das Klinikum in Leverkusen zur Behandlung Ihrer Krebserkrankung ausgesucht und unsere Dampfeisenbahn-Anlage lag im Stadtpark von Leverkusen-Wiesdorf. So fuhren wir dann oft gemeinsam nach Leverkusen. Ich setzte meine Maus im Klinikum ab (bei der Chemo konnte / brauchte ich nicht dabei sein) und fuhr dann in unsere nur ein paar Kilometer entfernte Werkstatt. Dort konnte ich dann die Wartezeit mit dem Hobby verbringen. Wenn die Chemo vorbei war, rief Suse an und ich holte Sie ab und wir fuhren nach Hause. Das ich dann auch noch einmal im Monat einen ganzen Sonntag bei der Eisenbahn war, hatte für uns beide Vorteile. Sie war mich mal eine Zeit lang los, und ich kam abends müde, aber mit freiem Kopf nach Hause. Ich habe Sie mal gefragt, ob das denn so in Ordnung wäre. Daraufhin sagte Sie, dass es uns beiden gut tun würde. Ich nahm Ihr also nichts weg.

Während dieser ganzen Zeit, besuchte ich regelmäßig die Kölner Gruppe und „genoss“ jeden Abend. Es tat gut, mal nicht gefragt zu werden „Wie geht es Suse“. Die Frage war ja gut gemeint, aber wer fragte wie es mir in dieser Situation ging? Die Männer in der Kölner Gruppe taten dies. Selbstverständlich habe ich auch von Suse und dem letzten Monat erzählt. Aber es ging doch mehr um mich, und das war gut so. Das ich meine Emotionen nicht irgendwie Kaschieren oder verdrehen musste, sondern sie so wie sie waren, herauslassen konnte war befreiend. Im eigenen Umfeld (Familie, Nachbarschaft) findet man selten jemand der diese Thematik wirklich versteht und nicht nur ein Gespräch am Laufen hält. So habe ich es zumindest bei einigen Mitmenschen empfunden. Alle in der Gruppe haben da eine ganz andere Basis für das Verstehen und miteinander reden. Daher auch der oben gefallene Begriff „genoss jeden Abend“. Sicher, es gab auch Themen, über die man nicht so gerne redet (Verlust der Partnerin z. B.). Diese Sch… Krankheit kann nun mal auch diese Seiten haben. Das darüber reden macht es nicht leichter, aber man beginnt sich damit auseinander zu setzen und nicht daran zu verzweifeln oder gar zu zerbrechen.

Leider hatte ich, bedingt durch Stress in der Firma und der seelischen Belastung, irgendwann angefangen zu Trinken. Das endete 2016 dann in einer Langzeit-Entzugstherapie. Wirklich nicht gerade der richtige Zeitpunkt für solche Eskapaden. Seitdem bin ich aber, wie es so schön heißt: „Trocken“.

Unglücklicherweise verschlechterte sich Suse’s Zustand gegen Ende des Entzugs dramatisch. So blöde es sich vielleicht auch anhört, hatte ich Gott sei Dank, in der Entzugs-Klinik psychologischen Beistand. Dort war Suse’s Krankheit bekannt, und so durfte ich zum Ende hin auch wieder jeden Abend nach Hause.

Auch die lange Zeit mit den Männern in der Selbsthilfegruppe und den vielen Diskussionen, half mir in diesem Moment über die bevorstehenden Ereignisse hinweg.

Kurz bevor Suse verstarb, sagte Sie etwas sehr Wichtiges zu mir. Sie sagte: „Das Leben geht weiter, also lebe weiter“. Sie hatte Recht, aber es fällt gelegentlich verdammt schwer das zu tun:

WEITER LEBEN

Zirka 2014 hatte Suse sich übrigens der Selbsthilfegruppe „Frauen für Frauen“ an der Universitätsklinik Düsseldorf angeschlossen und dann, solange sie es noch konnte, diese auch geleitet. Irgendwann sprach mich dann die Direktorin der Frauenklinik an, ob ich nicht an der Uni-Klinik, auch eine solche Gruppe wie die in Köln aufbauen wolle.

Da mir diese Idee sehr am Herzen liegt, habe ich das Angebot der Uni-Klinik Düsseldorf angenommen. Die Unterstützung ist sehr gut (Versammlungsraum, Flyer und Veranstaltungen). Alles Dinge die für Selbsthilfegruppen manchmal nicht leicht sind.  

Bedingt durch meine Vorgeschichte und eigene Erfahrung, ist es meine feste Überzeugung das dies eine wirklich gute und wichtige Sache ist. Ich persönlich kann nur, jedem Mann in einer ähnlichen Situation, empfehlen solche Angebote wie die Gruppen anzunehmen.

Zurückblickend kann ich sagen, dass ich an dieser Belastung insgesamt gewachsen bin. Das hätte vielleicht auch anders und vor allen Dingen einfacher erfolgen können, aber so ist eben das LEBEN.

Hans-Joachim (Hajo) Kaps

(November 2019)