Rezidiv oder wir wollen leben – Teil X

Kapitel 40

So hatten wir unseren eigentlichen Herbsturlaub wegen der Chemo-Behandlung abgesagt. Damit war ich in einer Doppelbelastung. Die tägliche Arbeit und die Sorge um Tina wurden langsam zu viel für mich. Auch wenn mich Tina nach Kräften und im Rahmen ihrer Möglichkeiten unterstützte, war ich ziemlich ausgepowert. Hinzu kam auch mein eigener gesundheitlicher Zustand. Durch einen Geburtsfehler mussten mir vor 10 Jahren künstliche Hüftgelenke eingesetzt werden. Nach dieser Operation wurde bei mir ein Gelenkrheuma angestoßen. Ohne entsprechende Tablettentherapie hätte ich mich gar nicht bewegen können. In der jetzigen Situation bei Tinas Erkrankung drehte mein Körper wie ein Automotor immer auf Höchsttouren. Damit spürte ich keine Schmerzen. Wenn ich aber dann abends zur Ruhe kam, konnte ich sehr schlecht schlafen. Es dauerte sehr lange, bis das Adrenalin aus meinem Körper wich. War es dann soweit, kamen die Schmerzen. Wenn ich dann endlich eingeschlafen war, musste ich bereits wieder aufstehen. So war die Müdigkeit mein ständiger Begleiter. Tina beschwerte sich sehr oft bei mir, dass ich nur noch müde sei. Mit mir wäre nun nichts mehr los. Also kämpfte ich weiter dagegen an. Ich wollte mir diesen Vorwurf nicht gefallen lassen. Schließlich war Tina krank und ich konnte mich nach ihrer Chemo-Behandlung ausruhen. Der Kampf gegen mich und meinen Körper war sehr anstrengend, aber es gelang mir leidlich. Einige meiner Freunde meinten, ich hätte abgenommen. Schöne Diät, dachte ich. Ich versuchte stark zu bleiben. Tina brauchte mich. Es gelang mir so einigermaßen. Einmal hätte es mich fast wieder aus den Schuhen gehauen, als mir mein Orthopäde mitteilte, dass in absehbarer Zeit meine künstlichen Gelenke erneuert werden mussten. Es war ein ziemlicher Schlag. Jetzt wusste ich, woher meine ständigen Rückenschmerzen kamen. Ich werde die Operation aber erst machen lassen, wenn Tina wieder gesund ist. In der Zwischenzeit werde ich etwas vorsichtiger beim Sport sein.

Kapitel 41

Anfang Oktober war Köln-Marathon. Meine Tochter Sonja wollte mit ihrem Freund daran teilnehmen. So kamen beide am Freitag zu uns. Sie wollte sich zumindest für einen Abend und einem Frühstück für uns Zeit nehmen. Ihr Freund fuhr zu seinen Eltern. Am nächsten Tag wollten sich die beiden mit noch einem befreundeten Paar in der Stadt treffen und sich beim Marathon anmelden. Eigentlich wären wir in Urlaub gewesen. Daher war geplant gewesen, dass Sonja mit ihren Freunden in unserer Wohnung übernachten sollte. Dies ging nun nicht. Schnell hatten Sie eine geeignete Lösung gefunden. So schlief Sonja bei uns und ihr Freund bei seinen Eltern. Sonja hatte ihn vor Jahren noch im Gymnasium kennen gelernt. Danach hatte er während Sonja in Köln studierte ein Studium bei der Technischen Hochschule in Aachen absolviert. Nach seinem Studium war er aufgrund eines lukrativen Arbeitsangebotes nach Stuttgart gezogen. Nachdem Sonja auch ihr Lehrerstudium beendet hatte, war sie nachgezogen. Dabei hatte sie unheimliches Glück gehabt, dass sie sofort eine Referendariats-Stelle bekommen hatte. Später nahm die Schule sie auch als fertige Lehrerin. Sie bekam eine Planstelle. Es war sehr schön zu sehen, wie das alles geklappt hat. Ich glaube auch, dass beide sehr glücklich sind. Nun war es schön, Sonja noch einmal bei uns zu haben. Wir redeten am Abend noch sehr lange. Unsere Müdigkeit war gewichen. Es gab einfach viel zu erzählen. Sie beschrieb uns ihre Schüler und erzählte manch schöne Anekdote aus ihrer Schule. Sie war einfach sehr erfrischend. Irgendwann kam auch unsere jüngere Tochter Sarah hinzu. Sarah wohnt in unserem Haus und teilt sich mit ihrer Cousine eine Wohnung. Sarah hatte den Beruf „Heilerziehungspflegerin“ erlernt. Leider hatte sie in Köln keine passende Stelle bekommen. Sie arbeitete daher bereits seit 2 Jahre als Altenpflegehelferin in einem benachbarten Altenheim. Beide Mädchen hatten einen Sozialberuf gewählt. Sarah war ein ganz anderes Kind wie Sonja. Während Sonja sehr zielstrebig ihren Berufswunsch angestrebt hatte, brauchte Sarah etwas länger. Sie war keine Theoretikerin, sondern sie konnte eher die Probleme praktisch angehen. Darüber hinaus war sie von einer erfrischenden Lebhaftigkeit. Manchmal entwickelte sie auch hin und wieder Stress. Böse konnte man ihr aber nie lange sein, da sie aus tiefster Seele nur ehrliche Gefühle entwickelte. Ihre Gefühlsregungen sind auch heute noch immer unmittelbar. Man kann ihr sofort ansehen, ob sie sich gefreut oder geärgert hatte.

Kapitel 42

Am Sonntag standen wir mit Ulrike und ihrem Mann an der Marathonstrecke und jubelten den Aktiven zu. Wir hatten uns an einer Stelle getroffen, an der die Läufer zweimal vorbeikommen mussten. Leider hatte unsere Straßenbahn Verspätung gehabt und wir hatten Sonja und ihren Freund das erste Mal verpasst. Nunmehr warteten wir, dass sie auf der anderen Straßenseite zurückkommen würden. Wir hatten am Abend vorher noch ein Schild gebastelt, mit dem wir die beiden anfeuern wollten. Es war schon sehr schwierig, die beiden in der großen Läufermasse zu erkennen. Also jubelten wir allen zu, in der Hoffnung, dass die beiden denn dabei seien. Plötzlich erkannten wir den Freund. Er winkte uns zu und zeigte auf Sonja, die an uns ebenfalls winkend vorbei lief. Für diese paar Sekunden waren wir so früh aufgestanden. Trotzdem hatte es sich gelohnt und ich wäre sehr traurig gewesen, wenn ich nicht dort gestanden hätte. Am späten Nachmittag trafen wir uns mit den beiden sowie ihren Freunden und der Familie ihres Freundes zum Essen. Es wurde ein sehr schöner Nachmittag. Die beiden erzählten euphorisch ihre Erlebnisse während des Marathons. Hoffentlich hatten die beiden am nächsten Tag nicht so großen Muskelkater. Irgendwann mussten sie sich verabschieden und fuhren heim. Aber es war kein Abschied für eine lange Zeit. Sonja wollte bereits Ende Oktober für ein paar Tage zu uns kommen.